BlogbeitragTeil 1 | Gefühle sind nur was für Mädchen? Gefühle fühlen – Emotionen verstehen

Teil 1 | Gefühle sind nur was für Mädchen? Gefühle fühlen – Emotionen verstehen
Die Zeit ist reif. Ich schreibe über Gefühle. Und das nicht nur im privaten Kontext (Teil 1), sondern mit klarem Blick auf die oft nicht gesehenen und zu Unrecht verkannten Potenziale von Gefühlen und Emotionen in unseren Arbeitswelten (Teil 2). Und weil das Thema so spannend und komplex ist, gibt es diesmal einen Blogartikel in zwei Teilen.
  • Das Thema „Gefühle“ ist schon viel länger für mich präsent – aber den Anlass für meinen Blogartikel gab das gerade frisch im Februar erschienene Buch der Emotionsforscherin Dr. Carlotta Welding „Fühlen lernen – Warum wir so oft unsere Emotionen nicht verstehen und wie wir das ändern können“.

    Die Geschichte, wie ich auf das Buch stieß, muss ich kurz erzählen, weil es mal die schönen und verbindenden Seiten der sozialen Netzwerke zeigt. Ende Dezember hatte ich im gerade frisch verschärften Lockdown auf dem Instagram Kanal von Malte Welding – Journalist, Autor und Carlottas Mann – den Hinweis auf ein Interview mit Carlotta Welding in der „Psychologie heute“ und die Vorankündigung zum Buch aufgeschnappt. Man konnte sich bei Interesse ein Rezensionsexemplar zuschicken lassen. Und WIE groß mein Interesse war. Beobachte ich doch täglich in meinen Beratungen, welchen Einfluss Gefühle und Emotionen auf Menschen haben, auf ganze Teams und Führungskräfte, und wie sehr die Beachtung oder Ignoranz einen Unterschied machen kann. Eine kurze Nachricht und zwei Tage später erhielt ich vom Verlag Klett-Cotta eine nette Mail mit dem Vorab-Exemplar als PDF und etwas später das Buch. Wahnsinn! Danke an der Stelle an alle Beteiligten.
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  • Warum ist das Thema „Gefühle fühlen – Emotionen verstehen“ so spannend?

    Das mag jede/r von euch sicher anders beantworten. Für mich ist es so spannend, weil Gefühle und Emotionen für mich ein riesiges Universum sind, dessen Potenzial bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Und um den provokanten Satz vom Anfang gleich zu entschärfen – natürlich haben Gefühle weniger mit unserem Geschlecht zu tun als vielmehr mit Erziehung, Kultur, Religion, Herkunft, Sozialisation, vielleicht auch Bildung (aber nicht zwingend). Dennoch (er)leben wir in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch diese Teilung: Mädchen und Frauen sind für Gefühle und Soziales zuständig. Dass das ein Irrglaube ist, möchte ich mit meinem Blogartikel ein wenig näher beleuchten.

    Wir können klüger, zielführender, großzügiger, wertschätzender, glücklicher und gesunder sein, wenn wir dieses riesige Universum einblenden und Kopf und Herz als untrennbare Einheit sehen.

    Dr. Carlotta Welding schreibt dazu: „..Die Forschung hat gezeigt, dass der Glaubenssatz falsch ist: weder ist der Verstand dem Gefühl überlegen noch scheint die Trennung zwischen beiden Bereichen überhaupt noch zielführend zu sein.“ Und weiter „Gefühle sind nicht nur die Farben in unserem Leben.“ Sie helfen uns auch dabei, Entscheidungen zu treffen und komplexe Lösungen zu entwickeln. Wenn wir auf sie hören! Gefühle steuern uns, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen würden. „Selbst wenn wir glauben, rational zu handeln, haben unsere Emotionen uns bereits in eine Richtung gelenkt.“
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    Und das ist der Punkt (einer von vielen…) an dem es spannend wird. Wenn wir nämlich immer davon ausgehen, rational zu handeln und unsere Gefühle die eigentlichen „Strippenzieher“ sind, geben wir der Ratio, also unserem Verstand eine Vorrangstellung, die nicht hilfreich, sondern irreführend ist.
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  • ​Es vereint uns Menschen – wir alle haben Gefühle.

    Von Beginn an und sogar schon im Mutterleib. Ungefähr ab der zwölften Woche nimmt es die Gefühle der Mutter auf. Auch über den Tastsinn wird die Empfindungsfähigkeit angeregt. Schon ab der siebten Woche reagiert die Haut auf Reize.
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  • ​Aber was sind Gefühle eigentlich und was sind Emotionen?

    Bevor ich weiter einsteige, ist es mir ein Bedürfnis die beiden Begriffe nochmal kurz zu illustrieren. Dr. Carlotta Welding beschreibt das in ihrem Buch verständlich und nachvollziehbar. Ich verkürze es, in der Hoffnung, dass meine Essenz verständlich und dennoch ausreichend ist.

    Wut, Angst, Freude, Trauer, Schuld und Stolz sind GEFÜHLE und sowas wie eine genetische Grundausstattung. Sie sind uns angeboren. Die Wissenschaft nennt sie Basis oder primäre Emotionen. An ihrer Entstehung ist das sogenannte Limbische System beteiligt. Externe Reize werden dort verarbeitet und die entsprechenden vegetativen Reaktionen in Gang gesetzt.
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  • EMOTIONEN sind Reaktionen auf diese Gefühle und immer verbunden mit unserer persönlichen Wertung. Zu den sekundären oder sozialen Emotionen zählen Mitgefühl, Dankbarkeit, aber auch Gier und Neid.

    Emotionen äußern sich dabei auf verschiedenen Ebenen:
    • als ein Gefühl, das wir bei einer Emotion erleben,
    • als Verhalten, z.B. in der Mimik, der Gestik, der Körperhaltung oder Körperbewegung,
    • als körperliche Veränderung, z.B. Herzrasen, Schweißausbrüche, Muskelverspannungen.
    • und als Vorstellung, z.B. durch die Erwartung, dass etwas Schlimmes passieren könnte
    Wut empfindest Du, wenn du mit einem Zustand nicht einverstanden bist, wenn eine Gegebenheit oder ein Ereignis gegen Deine Normen und Werte verstößt. Sie kommt in dir auf, wenn eine Verletzlichkeit in Dir getroffen wird, wenn Du angegriffen oder gedemütigt wirst. Es ist die mächtigste Emotion, die wir haben. Nichts kann so viel Energie in uns freisetzten wie Wut. Du musst wissen, dass Wut nicht automatisch Aggression auslösen muss. Gut verarbeitete Wut kann in einen gewaltlosen Veränderungsprozess münden.

    Gefühle steuern uns, ohne dass wir es bewusst wahrnehmen würden. Sie sind die Strippenzieher und wir die Marionetten, beschreibt Dr. Carlotta Welding treffend. Selbst wenn wir glauben, rational zu handeln, haben unsere Emotionen uns bereits vorher in eine Richtung gelenkt. Wenn wir rationale Gründe für eine Entscheidung aufzählen, argumentieren wir meist lediglich unserem Bauch hinterher.

    Menschen treffen z.B. Kaufentscheidungen emotional, um sie anschließend rational zu begründen.
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  • ​Warum gibt es Gefühle?

    Dr. Carlotta Welding formuliert in ihrem Buch, dass der plausibelste evolutionäre Grund für die Existenz von Gefühlen ist: „Gefühle ermöglichen automatisierte Reaktionsmuster. Sie helfen dabei, schnell zu reagieren, ohne abwägen zu müssen: Mein Haus brennt, ich bekomme Angst, ich laufe Weg. Mein Kind stirbt, ich bin traurig, ich weine und bekomme Trost.“

    Aber kennen alle Menschen ihre Emotionen und Gefühle – können sie empfinden und lesen? Können alle Menschen ihre eigenen und die Reaktionen ihrer Umwelt verstehen? Kommt man damit auf die Welt oder kann man diese Fähigkeiten erwerben?

    Zum Schluss gebe ich noch einen kurzen spannenden Hinweis zu einem Thema, das mich im ersten Moment überrascht hat, dann aber einiges erklärt hat: Gefühlsblindheit – eine Art Gegenpol zur Empathie. Die Wissenschaft geht davon aus, dass ein gewisser Prozentsatz der Menschen gefühlsblind ist. Relativ genau 10 Prozent.

    Woher Gefühlsblindheit kommt, ist nicht abschließend geklärt. Vermutlich kennen wir aber alle Menschen in unserer Umgebung, denen wir Disposition zuschreiben würden. Das Wissen, um diese Besonderheit macht das Leben und Arbeiten vielleicht nicht einfacher, aber das Verständnis lässt uns vielleicht anders miteinander umgehen, verständnisvoller sein für die vielen unterschiedlichen Spielarten des menschlichen Lebens.
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  • Was sind die Herausforderungen beim Fühlen?

    Viele Menschen haben von außen betrachtet, alles, was man vermeintlich braucht zum Glück: eine tolle Familie oder Partnerschaft, vielleicht sogar 1,2,3 Kinder, einen spannenden Job, Hund, Auto, Fahrrad, Moped, genug zu essen, eine schöne Wohnung, Kultur, Freunde, guten Wein, Wellness und vielleicht ein paar Urlaubsreisen im Jahr (wenn nicht gerade Pandemie ist).

    Und dennoch fühlen sich viele Menschen leer und nicht mehr lebendig. Aber warum? Wenn wir bestimmte Gefühle nicht fühlen wollen, werden wir zunehmend unfähig, überhaupt Gefühle zu fühlen. Somit können wir auch keine Freude und Liebe mehr fühlen und fühlen uns stillgelegt.

    Warum wollen wir denn nicht fühlen? Das „Wollen“ oder verhindern erfolgt meist unbewusst. Wir verhindern uns das Fühlen, weil Gefühle manchmal ganz schön weh tun oder uns verwirren, unser Leben durcheinanderbringen können, wir uns unberechenbar erleben oder nicht dem Bild entsprechen, das wir oder andere gerne von uns hätten. Aber du kannst etwas tun, wenn du möchtest:
    • Am Anfang steht die Erkenntnis, dass du so stillgelegt nicht mehr leben magst.
    • Öffne dich für ALLE deine Gefühle lass sie zu.
    • Wenn du jetzt loslegst, dich auf die Suche nach deinen Gefühlen begibst, aber nichts spürst und schlussfolgerst, dass du keine Gefühle mehr hast – hab Geduld. Du brauchst Zeit, um blockierte Gefühle Stück für Stück frei zu legen.
    • Beobachte dich, höre auf deinen Körper.
    • Erforsche, wie und wann du deine Gefühle unterdrückst und warum das so ist. Oft ist es die Angst vor der Angst, dem Ausgeliefertsein, dem Schmerz die uns nur davor beschützen will.
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  • Auch wenn ich mich schon länger mit der Thematik der Gefühle beschäftige, habe ich mit der Lektüre von Dr. Carlotta Weldings Buch Vieles im Detail, gut beschrieben und sehr plastisch, erfahren dürfen. Ich betone es nochmal: die Fülle des Themas sprengt in der Komplexität leider diesen Blogartikel. Lest einfach das Buch, wenn euch das Thema interessiert. Es lohnt sich.

    Wenn ich dich ermutigen konnte, ein wenig in dich rein zu fühlen, freu ich mich. Schreibt mir gern, wie´s läuft …

    Eure Jana
  • Vorschau auf Teil 2

    Wer vom Fühlen angefixt ist und weiterlesen möchte – im zweiten Teil des Blogartikels werde ich ein paar Impulse geben, warum dieses ganze Thema auch im beruflichen Kontext Potenzial hat und den folgenden Fragen nachgehen:
    • Warum sind Gefühle und Emotionen auch in beruflichen Situationen so wichtig und wertvoll?
    • Was kann ich konkret machen, um Emotionen zu verstehen?
    • Warum ist es wichtig, einen gesunden Umgang mit Gefühlen zu lernen?
    • Was macht die Bewertung von Gefühlen mit uns? Gute Gefühle – schlechte Gefühle?
    • Warum fällt uns der Umgang mit unangenehmen Gefühlen so schwer?