BlogbeitragMit Boxhandschuhen tippen: Wie wir mit Barrierefreiheit umgehen
In weniger als 2 Jahren ist es so weit. Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird in Kraft treten. Ab dem 28. Juni 2025 müssen sämtliche Produkte und Dienstleistungen, die ab diesem Zeitpunkt für Konsumierende verfügbar gemacht werden, spezifischen Anforderungen in puncto Barrierefreiheit entsprechen.
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Wir sind darauf vorbereitet, denn seit nunmehr zwei Jahrzehnten begleitet uns als Agentur das Thema Barrierefreiheit. Wer wie wir von der Ideenmanufaktur Websites und Produkte sowie zukunftsweisende digitale Strategien für Kunden konzipiert und produziert, der weiß: Barrierefreiheit hat auch im digitalen Raum enorm an Bedeutung gewonnen. Wir wissen durch unsere Erfahrung bei diversen Projekten, dass Barrierefreiheit mehr ist als nur die Einhaltung von Richtlinien – es geht darum, eine inklusive digitale Erfahrung zu schaffen, die jedem Menschen gerecht wird. Bei der Umsetzung von barrierefreien digitalen Projekten kommt es auf Erfahrung, Expertise und kreative Lösungen an. Genau hier kommen wir als Ideenmanufaktur ins Spiel.
Die Dringlichkeit, sich mit diesem Thema digitale Barrierefreiheit auseinanderzusetzen, nimmt nicht nur wegen der kommenden Gesetzesumsetzung stetig zu. Schließlich geht es darum, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich im öffentlichen wie im digitalen Raum zurechtzufinden – unabhängig von etwaigen Einschränkungen. Wir als Agentur sind uns dieser Verantwortung bewusst und setzen uns daher seit jeher für barrierefreie Websites ein. Denn nur so können wir sicherstellen, dass unsere Kunden ihre Zielgruppe bestmöglich erreichen und gleichzeitig einen Beitrag für eine inklusive Gesellschaft leisten.
Dieses Gesetz hat das Potenzial, das Leben von Millionen von Menschen zu verbessern und ihnen ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu ermöglichen. Gleichzeitig ist es für Unternehmen und Organisationen eine enorme Herausforderung. Sie müssen sich bereits jetzt intensiv damit auseinandersetzen und ihre Angebote entsprechend ausrichten. Denn nur so können sie den Anforderungen der Zukunft gerecht werden und gleichzeitig eine wichtige gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
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Aller Anfang ist schwer
Das Ziel ist klar: Alle „Lebensbereiche sollen für Menschen mit Beeinträchtigungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sein.“. Das ist die globale Definition von Barrierefreiheit. In unserem Fall betrifft dies digitale Produkte, Websites, Software, Content und die dazugehörige Infrastruktur.
Die Barrierefreiheit war lange Zeit ein vernachlässigtes Thema in unserer Gesellschaft. Viele Gründe spielten dabei eine Rolle: Technologien waren oft unhandlich und sperrig oder noch gar nicht vorhanden, die Umsetzung von Barrierefreiheit war und ist zeit- und damit kostenintensiv und – das ist wohl am wichtigsten – es fehlte der gesellschaftliche Konsens, dass Barrierefreiheit sowohl im öffentlichen Raum als auch im digitalen Raum unabdingbar ist. Dies führte dazu, dass das Thema jahrelang keine Priorität hatte. Doch diese Haltung ändert sich mehr und mehr. Barrierefreiheit ist ein grundlegendes Recht, das allen Menschen zusteht.
Stell dir vor, du hast Boxhandschuhe an und sollst eine Buchstaben-Taste auf deinem Handy drücken. Das ist schlichtweg nicht möglich oder nur mit enormer Anstrengung.
Die Anfangsphase war dann auch für uns als Agentur schwierig. Zunächst mussten wir uns selbst über einiges klar werden. Was bedeutet Barrierefreiheit im digitalen Raum überhaupt? Welche Technologien können wir nutzen? Mit welchen Argumenten können wir Kunden überzeugen? Wie lässt sich der zusätzliche Kostenfaktor in der Umsetzung gewährleisten? Das sei gleich erwähnt: Digitale Barrierefreiheit ist aufwändig und kostet. Aber es lohnt sich.
Bei unserer Kundschaft hat in den letzten Jahren ebenfalls langsam ein Umdenken begonnen. Zum einen sind es natürlich die rechtlichen Vorgaben, die dazu zwingen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Aber auch im Bewusstsein der Auftraggebenden hat sich einiges getan. Viele begreifen, dass es auch um die Außenwirkung eines Unternehmens geht, um die Werte und Überzeugungen, für die es steht. Wer Inklusion nicht nur predigt, sondern auch umsetzt, ist für deutlich mehr Menschen relevant.
Barrierefreiheit wird aber auch zu einer strategischen Komponente. Sobald große globale Player wie Google, Microsoft und Facebook Webauftritte, Inhalte und Infrastrukturen nach barrierefreien Komponenten bewerten und sie bevorzugter in ihren Suchergebnissen und Feeds darstellen, rückt der wirtschaftliche Aspekt der Unternehmen in den Fokus. Barrierefreiheit wird so zu einem Kriterium für die Sichtbarkeit. Das – und da sind wir keine großen Propheten – wird in der Zukunft noch eine deutlich größere Bedeutung einnehmen und da ein Platz unter den Top 10 bei Google für viele Firmen und Organisationen lebenswichtig ist, wird auch die Bereitstellung von Barrierefreiheit bei ihnen eine Rolle spielen. -
Die 12 Richtlinien der Barrierefreiheit im digitalen Raum
Das World Wide Web Consortium (W3C) hat bereits 1999 Richtlinien für barrierefreie Webinhalte (WCAG) formuliert. Sie werden ständig aktualisiert. Die aktuellste Version ist WCAG 2.1, die im Juni 2018 veröffentlicht wurde. Die EU hat sich daran orientiert und sie zur Norm erklärt.
Hier fassen wir die aktuell 12 Richtlinien zusammen:- Wahrnehmbarkeit: Die Inhalte müssen für alle Nutzenden wahrnehmbar sein, auch für Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen.
- Bedienbarkeit: Die Inhalte müssen von allen Nutzenden bedienbar sein, auch von Menschen mit motorischen Einschränkungen.
- Verständlichkeit: Die Inhalte müssen für alle Nutzenden verständlich sein, auch für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen.
- Robustheit: Die Inhalte müssen robust und stabil sein, um auf verschiedenen Geräten und in verschiedenen Browsern korrekt dargestellt zu werden.
- Alternativen: Es müssen alternative Texte und Beschreibungen für Bilder und andere nicht-textuelle Elemente bereitgestellt werden.
- Zeitbegrenzung: Bei zeitlich begrenzten Inhalten muss es eine Möglichkeit geben, diese zu pausieren oder zu verlängern.
- Sichtbare Steuerelemente: Alle Steuerelemente wie Buttons oder Links müssen sichtbar sein, um von allen Nutzenden gefunden werden zu können.
- Farbkontraste: Der Kontrast zwischen Text und Hintergrund muss ausreichend hoch sein, um die Lesbarkeit zu gewährleisten.
- Tastaturbedienung: Alle Funktionen müssen auch über die Tastatur bedienbar sein, um Menschen ohne Maus zu ermöglichen, den Inhalt zu nutzen.
- Fokussteuerung: Der Fokus auf bestimmte Elemente muss erkennbar sein, damit Nutzende wissen, wo sie sich gerade befinden.
- Fehlererkennung und -korrektur: Fehlermeldungen sollten klar formuliert und leicht verständlich sein sowie eine Möglichkeit zur Korrektur bieten.
- Kompatibilität: Die Inhalte müssen mit verschiedenen Technologien und Geräten kompatibel sein, um von allen Menschen genutzt werden zu können.
Eine 100-prozentige Barrierefreiheit wird vermutlich nie erreicht werden können. Aus diesem Grund ist für uns der Begriff Barrierearmut viel aussagekräftiger und charakterisiert unsere Herangehensweise deutlicher. Der Katalog der Barrierefreiheit ist auf den ersten Blick immens. Es ist unmöglich, alles sofort umzusetzen. Deshalb denken wir gemeinsam mit unserer Kundschaft in Schritten, um mehr und mehr Barrieren abzubauen. Dem Kosten-Nutzen-Verhältnis kommt dies ebenfalls zugute. -
Wie erstellen wir barrierefreie Konzepte?
Wir möchten sicherstellen, dass jede Person, unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen, die Medien unserer Kundschaft nutzen kann. Um dies zu erreichen, analysieren wir jedes Medium bis ins kleinste Detail. Wir betrachten nicht nur den Inhalt, sondern auch die Art und Weise, wie er präsentiert wird. Denn wir wissen, dass es einen Unterschied macht, ob jemand einen Text, eine Infografik oder ein Video betrachtet.
Wir berücksichtigen alle möglichen Einschränkungen und suchen nach Lösungen, um sie zu überwinden. Wenn es um eine Infografik geht, achten wir auf Farben, Kontraste und Schriftgrößen, um sicherzustellen, dass sie für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen zugänglich ist. Bei einem Video hingegen müssen wir möglicherweise Untertitel hinzufügen, um sicherzustellen, dass auch Menschen mit Höreinschränkungen den Inhalt verstehen können.
Wir stellen uns die Frage, wie wir Menschen mit Beeinträchtigungen die Informationen in den verschiedenen Medien zugänglich machen können. Dabei ist es uns wichtig, dass das System für alle verständlich und einfach zu bedienen ist. Barrierefreiheit bedeutet für uns jedoch nicht, dass alle Menschen dasselbe Angebot erhalten müssen. Vielmehr suchen wir nach individuellen Alternativen, die auf die jeweilige Beeinträchtigung abgestimmt sind.
Wenn jemand beispielsweise schlecht sieht, sind Karten oft schwer zu entziffern. Deshalb denken wir darüber nach, relevante Informationen hervorzuheben, die möglicherweise auch durch Text vorgelesen werden können. Bei Einschränkungen in der Motorik denken wir über die Komplexität der Steuerung nach und bieten alternative Bedienungsmöglichkeiten an. Wir möchten sicherstellen, dass jeder Mensch die Informationen in den Medien auf seine individuelle Art und Weise wahrnehmen kann. -
Herausforderung der Zukunft: Redaktionen schulen
Um eine barrierefreie Nutzung von Webseiten zu ermöglichen, bedarf es einer umfassenden Unterstützung der Redaktionen. Zunächst einmal müssen sie für das Thema sensibilisiert werden, damit sie sich aktiv dafür einsetzen, dass ihre Inhalte für alle zugänglich sind.
Dazu gehört für die Text- und Videoproduktion zum Beispiel die- Verwendung klarer und einfacher Sprache: Redaktionen sollten klare und einfache Sprache verwenden, um sicherzustellen, dass ihre Texte und Videos leicht zu verstehen sind. Lange Sätze und komplexe Wörter gilt es zu vermeiden. Wenn sie doch eine elaborierte Sprache verwenden möchten, dann benötigen sie alternative Darstellungen.
- Strukturierung: Ein gut strukturierter Text oder ein gut aufgebautes Video helfen den Nutzenden dabei, den Inhalt besser zu verstehen. Absätze sollten in Texten verwendet und Überschriften auch in Videos einfügen werden, um den Inhalt in kleinere Abschnitte zu gliedern.
- Verwendung von Alt-Texten: Bilder oder Grafiken können für manche Menschen mit Beeinträchtigungen eine Herausforderung darstellen. Durch das Hinzufügen von Alt-Texten können diese Elemente besser verstanden werden.
- Vermeidung von Barrieren: Redaktionen sollten auch spezielle Barrieren wie Farbenblindheit berücksichtigen und darauf achten, dass der Kontrast zwischen Text und Hintergrund ausreichend ist. Wenn Text in einem Video eingeblendet wird, sollte dieser gut lesbar sein und einen ausreichenden Kontrast zum Hintergrund aufweisen.
- Untertitel hinzufügen: Dies ist ein wichtiger Schritt bei der Erstellung von barrierefreien Videos. Gehörlose oder schwerhörige Personen benötigen diese Untertitel, um den Inhalt des Videos zu verstehen.
- Audiodeskriptionen: Für blinde oder sehbeeinträchtigte Personen ist es wichtig, dass das Video auch für sie verständlich ist. Eine Möglichkeit dafür wäre, Audiodeskriptionen hinzuzufügen und somit die visuellen Elemente im Video durch Audio-Informationen zu erklären.
- Verwendung von Gebärdensprache: Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Erstellung von barrierefreien Videos ist die Verwendung von Gebärdensprache für gehörlose Zuschauer.
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Herausforderung der Zukunft: KI kennen und nutzen
Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in die Barrierefreiheit ist die Zukunft. Das kann sowohl positive als auch negative Auswirkungen haben.
Positive Aspekte beim Einsatz von Assistenz-Technologien können sein:- Automatische Untertitelung: KI-Systeme können automatisch Untertitel für Videos und Audioinhalte erstellen, was Menschen mit Hörbeeinträchtigungen den Zugang zu diesen Inhalten erleichtert.
- Sprachsteuerung: KI-basierte Spracherkennungssysteme ermöglichen es Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen, Geräte wie Smartphones oder Computer durch Spracheingabe zu steuern.
- Bilderkennung: KI-basierte Bilderkennungssoftware kann dazu beitragen, dass sehbeeinträchtigte Menschen besser auf Bilder zugreifen können, indem sie eine detaillierte Beschreibung des Inhalts bereitstellen.
- Barrierefreie Webseiten: KI-basierte Tools können zur Verbesserung der generellen Barrierefreiheit von Websites eingesetzt werden, indem sie automatisch Barrieren erkennen und Vorschläge zur Optimierung machen.
- Datenschutzbedenken: Die Verwendung von KI-Systemen erfordert oft große Datenmengen, um effektiv arbeiten zu können. Dies kann Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Zugänglichkeit der Informationen aufwerfen.
- Fehlende menschliche Interaktion: Die Verwendung von KI-Systemen kann dazu führen, dass die menschliche Interaktion bei der Bereitstellung barrierefreier Dienstleistungen verringert wird, was möglicherweise nicht alle Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigungen berücksichtigt.
- Fehlende Flexibilität: KI-Systeme sind oft auf bestimmte Anwendungen oder Probleme spezialisiert, was bedeutet, dass sie möglicherweise nicht so flexibel sind wie menschliche Interaktionen und nicht in der Lage sind, sich schnell an neue Bedürfnisse anzupassen.
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Herausforderung der Zukunft: Barrierefreiheit in schön
Das Konzept der Barrierefreiheit ist für den Großteil unserer Kundschaft am Anfang eine großartige und wunderbare Sache. Es zeigt, dass sie sich als Unternehmen und Organisation um alle Menschen kümmern und niemanden ausschließen wollen. Insofern ist die Motivation am Anfang ziemlich groß. Doch dann kommt der Punkt, an dem sich die Meinungen spalten. Denn Barrierefreiheit bedeutet auch, dass gewisse Einschnitte gemacht werden müssen. Einschnitte, die sich oft in der grafischen Umsetzung bemerkbar machen.
Das Design sieht anders aus und das kann für manche Kunden eine Herausforderung darstellen. Doch genau hier liegt die Aufgabe für Designschaffende. Wie erreichen sie es, Barrierefreiheit und Ästhetik miteinander zu vereinen? Wie stellen sie sicher, dass das Design nicht nur funktional, sondern auch schön ist? Fragen, die sie sich immer wieder stellen müssen, um sicherzustellen, dass Barrierefreiheit für alle zugänglich ist.
In einigen Fällen wird die Bereitstellung der Barrierefreiheit auch als lästig empfunden. Besonders dann, wenn sie als Einschränkung begriffen wird, wenn der Aufwand zunimmt und wenn zusätzliche Abstimmungsschleifen notwendig werden. Das ist durchaus nachvollziehbar und lässt sich mit einer guten Kommunikationsstrategie abbauen. -
Herausforderung der Zukunft: Konsens herstellen
Wir haben festgestellt, dass es bei der Herstellung von Barrierefreiheit bei Webprojekten auf den Konsens ankommt. Wir müssen bei unserer Kundschaft einen Perspektivwechsel initiieren. Weg von althergebrachten Wegen und den Blick auf Beeinträchtigungen lenken, damit die Barrieren auch als solche verstanden werden.
Ist das gelungen, kommunizieren wir die Kriterien der Barrierefreiheit und stellen darüber einen Konsens her, wie alle Parteien – die Entwicklungsabteilung, das Design-Team, die Redaktionen etc. – gemeinsam die Barrieren abbauen. Vielfach müssen wir zusammen die Komplexität reduzieren, ohne den Content des Unternehmens zu beschneiden. Weniger ist in vielen Fällen mehr. Hier spüren wir auch eine Dankbarkeit der Kundschaft, denn unser distanzierter Agentur-Blick von außen hilft, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Wir schaffen digitale Lösungen, die für alle zugänglich sind. Egal ob es um Webseiten, Apps oder andere digitale Projekte geht: Wir gehen mit Leidenschaft und Kreativität an die Aufgabe heran. Unser Ziel ist es, Barrieren zu beseitigen und digitale Inhalte für alle Menschen zugänglich zu machen. Zusammen können wir eine inklusive digitale Landschaft schaffen, in der niemand zurückgelassen wird. Lassen Sie uns Ihr nächstes Projekt gemeinsam verwirklichen! -
Quellen